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Zwei-Sterne-Koch & KM Gerhard Wieser

5 Hauben, 19/20 Punkte Gault&Millau

KM Gerhard Wieser wurde kürzlich von Gault&Millau besonders geadelt. Erstmals hat Südtirol nun zwei 19-Punkte-Restaurants. Zu diesem Anlass hat die Redaktion mit KM Gerhard Wieser ein Interview geführt. Hierbei geht die Verbandszeitschrift der Südtiroler Köchinnen und Köche vollkommen neue Wege. Einen Teil des Interviews finden die Leserinnen und Leser hier in der Printausgabe, einen weiteren in der Onlineausgabe.
KM Gerhard Wieser - FOTO: Annette Sandner
Was bedeuten die 5 Hauben für Sie?
Um ehrlich zu sein, haben mich die fünfte Haube und der 19. Punkt von Gault&Millau völlig überrascht, die Freude darüber ist deshalb noch größer. Schließlich zählt der Gault&Millau zu den renommiertesten Gourmetführern in Europa. Noch wichtiger als das Urteil der Kritiker sind mir aber die Meinungen meiner Gäste, die wir Tag für Tag zu begeistern und deren Geschmackssinn und Auge wir zu fordern versuchen. Unser Ziel ist, den Gästen ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis zu bieten. Und wenn ich „unser“ und nicht „mein“ sage, dann meine ich das auch so: Kochen ist Teamarbeit, insofern ist die 5. Haube eine Auszeichnung für mein großartiges Team in der Trenkerstube, die uns in dem, was wir tun, bestätigt und motiviert, unser Restaurant stetig weiterzuentwickeln.
Wie lange sind Sie im Fünf-Sterne-Hotel Castel tätig?
Seit über 25 Jahren. Und wenn ich das so sage, erschrecke ich schon fast, weil ich merke, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man sich einem Projekt mit vollem Einsatz und viel, viel Leidenschaft widmet. Zugleich fühle ich mich privilegiert, weil ich seit so langer Zeit das volle Vertrauen der Betreiberfamilie genießen darf und bei allem, was ich in der Küche tue, ihren Rückhalt habe. Nur so haben wir den Betrieb gemeinsam weiterentwickeln können. Und nur so ist es möglich, dass ich – wenn ich auf diese zweieinhalb Jahrzehnte zurückschaue – nichts anderes empfinde als Freude, Zufriedenheit und Glück.
Wie schafft man es als Koch, sich über Jahrzehnte laufend zu verbessern und immer neue Ziele anzustreben?
Ich denke, dass da jeder für sich selbst sein ganz individuelles Erfolgsrezept finden muss. Bei mir sind die Zutaten dieses Rezepts Leidenschaft, Kreativität und der Mut, Visionen zu haben und umzusetzen. Dazu kommt natürlich die Erfahrung, die man in all den Jahren sammelt. Und man darf keine Angst vor sehr viel Arbeit haben, wobei ich das auch gleich relativieren muss. Eigentlich hasse ich es, in Arbeit zu versinken, aber wenn man das tut, wofür man brennt, dann empfindet man all das, was täglich anfällt, weniger als Arbeit als vielmehr als Privileg, seine Leidenschaft leben zu dürfen. Noch etwas ist wichtig: Man darf nichts als gegeben nehmen, man muss sich stetig hinterfragen, offen sein für alles Neue, Unerwartetes nehmen, wie es kommt und etwas daraus machen. Und all das bedeutet auch: Man muss auch bereits sein zu riskieren und gegebenenfalls zu verlieren.
Jungköche sehen mit 25 Jahren oft keine Perspektive mehr im Beruf. Was raten Sie jungen Köchinnen und Köchen in Bezug auf die berufliche Entwicklung?
Die Basis für jede Entwicklung bildet eine solide Ausbildung. In diese muss ein Koch viel Zeit und Herzblut investieren. Ich rate zudem jedem, auch im Ausland Erfahrung zu sammeln, um aus der Komfortzone zu kommen, einen neuen, unverstellten Blick auf die Dinge zu bekommen und sich auch persönlich weiterzuentwickeln. Und ansonsten gilt, was für jeden Beruf gilt: fleißig, hartnäckig, mutig und auch selbstkritisch zu sein, nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen, wenn’s mal nicht läuft, an sich zu glauben und seinen eigenen Weg zu finden.
Sie sind auch Küchenmeister. Wie wichtig ist die Küchenmeister-Ausbildung für Köchinnen und Köche?
Der Küchenmeister ist die höchste Stufe unserer schulischen Bildung und hat in den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich dazu beigetragen, unser Berufsbild zu stärken – auch im Standing in der Bevölkerung. Zudem ist die Küchenmeister-Ausbildung so etwas wie die Lebensversicherung unseres Berufsstandes, liefert sie doch das Handwerkzeug, um die künftige Generation von Köchinnen und Köchen solide ausbilden zu können.
Warum ist höchste Qualität so wichtig?
Höchste Qualität gehört für mich zu den Grundpfeilern unseres Tourismusangebots – künftig noch mehr als bisher, weil wir in Südtirol nicht auf Masse, sondern auf Qualität, Nachhaltigkeit und Natur setzen müssen. Und da bildet die Küche keine Ausnahme. Im Gegenteil. Dazu kommt, dass wir durch unsere Brückenfunktion eine privilegierte Ausgangssituation haben, in der alpine und mediterrane Einflüsse, Südtiroler Tradition und italienische Leichtigkeit zusammenfließen. An diese Mischung als Basis unserer Südtiroler Küche habe ich immer geglaubt und ich bin überzeugt, dass sie unsere Geschichte, Gegenwart und Zukunft ist.
52 Jahre! Und nach wie vor höchst motiviert. Wo holen Sie sich die Kraft zu andauernder Weiterentwicklung?
Ich weiß, es mag nach einer Binsenweisheit klingen, aber für mich gibt es zwei Kraftquellen: meine Familie und die Natur. Mit meiner Familie kann ich entspannen, ich bin abgelenkt und das Kochen rückt für einmal in den Hintergrund. Auch beim Nordic Walken in der Natur oder beim Skifahren kann ich abschalten, all die Eindrücke auf mich wirken und meinen Gedanken freien Lauf lassen. Das kann dann durchaus auch heißen, dass ich beim Gehen ans Kochen denke: ich kann, aber ich muss nicht. Und gerade aus dieser Freiheit heraus entstehen oft die spannendsten Visionen.
Leidenschaft & Freude: Wie wichtig sind diese für einen Koch/Köchin?
Ich denke, das ergibt sich aus dem, was ich schon gesagt habe: Leidenschaft und Freude an der eigenen Arbeit sind Grundvoraussetzungen dafür, dass man Erfolg haben kann. Das gilt für jeden Beruf, auch und vor allem für einen so arbeitsintensiven wie das Kochen. Ich selbst empfinde die Gastronomie als mein Leben und meine Leidenschaft für das Kochen motiviert mich Tag für Tag. Ich denke, dass ich die Tage an zwei Händen abzählen kann, an denen ich keine Lust hatte, arbeiten zu gehen. Und ich denke auch, dass der Gast spürt, wie viel Leidenschaft und Freude in unseren Gerichten steckt.
Wie kann man ein kulinarisches Erlebnis in der Trenkerstube emotional in einigen Sätzen beschreiben? Was sind Ihre Ansprüche als Protagonist der Trenkerstube, einem von zwei Fünf-Hauben-Restaurants in Südtirol?
Erlebnisse sind das, was sich am tiefsten in unser Gedächtnis, in unser Empfinden eingraben. Deshalb ist es unser Ziel in der Trenkerstube, unseren Gästen ein solches Erlebnis zu bieten: etwas, woran man auch nach Jahren noch gern zurückdenkt. Damit wir ein solches Erlebnis bieten können, muss nicht nur die Qualität passen, wir müssen auch den Zeitgeist treffen. Das ist in der Küche nicht anders als in der Musik oder in der Kunst. Wer den Zeitgeist trifft, wer es also schafft, die aktuellen inneren Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, der schafft ein bleibendes Erlebnis.
Auf welche Kriterien achten Sie bei Bewerbungen von Köchinnen und Köchen für Ihr Team?
Abgesehen vom Curriculum geht’s mir um die innere Einstellung der Kandidaten. Wie ticken sie? Denken sie mit ihrem ganz eigenen Kopf? Denken sie positiv? Sind sie verlässlich, ehrlich, loyal? Und vor allem: Steht da ein Teamplayer vor mir, also jemand, der bereit ist, sich in ein bestehendes Team einzufügen, mit anderen zusammenzuarbeiten und von anderen zu lernen?
Sie sind auch Familienmensch. Wie bringen Sie internationale Spitzenleistungen und Familie unter einen Hut?
Sicher, das Kochen ist ein anstrengender Job, zugleich habe ich aber Zeit, den Nachmittag mit meinen Kindern zu verbringen. Wer kann das schon von sich behaupten? Darüber hinaus gibt es durchaus Möglichkeiten, Beruf und Familie zu verbinden. So versuche ich, meine Familie zu internationalen Events mitzunehmen. Und umgekehrt fließt das Kulinarische in den Familienurlaub ein. So wird der Urlaub zur Weiterbildung für uns alle.
Und dann noch andauerndes Schreiben von neuer Kochbuchliteratur: Wo finden Sie zwischen beruflichen Spitzenleistungen, internationalen Engagements und Familie die Zeit dazu?
Letztendlich geht’s immer um zwei Dinge: Leidenschaft und Organisation. Ich liebe es, mit dem „So kocht Südtirol“-Team an Kochbüchern zu arbeiten, deshalb plane ich dafür auch Zeit in meinem Arbeitsalltag ein. Zudem gibt es in der Gastronomie ja auch durchaus „tote“ Zeiten, die ich für das Schreiben nutzen kann. Wie gesagt: Wenn man für etwas brennt, fällt das nicht unter Arbeit, man muss sich nicht motivieren, man tut es einfach.
2020 plus Corona: Welche Empfehlungen geben Sie unserer Berufsgruppe für die Zukunft?
Tut mir leid, aber auch hier greife ich auf eine Binsenweisheit zurück und sage: Jede Krise ist auch eine Chance. Das hat einen einfachen Grund: Solange alles läuft, denkt man wenig über den Grund dafür nach. In Krisen tendiert man hingegen dazu, Gewohntes zu hinterfragen, alte Krusten aufzubrechen, Neuem eine Chance zu geben. Neugierige Menschen, Menschen, die keine Angst vor Veränderungen haben, gehen daher meist gestärkt aus einer Krise hervor. Und weil Neugier und Mut zu den Grundeigenschaften guter Köche gehören, sollten wir uns als Berufsstand keine allzu großen Zukunftssorgen machen.
Was machen Sie in fünf Jahren?
Wenn ich einen Wunsch äußern darf, dann möchte ich in fünf Jahren genau das tun, was ich heute tue (nur in einer neuen Küche, an der derzeit gebaut wird). Ich möchte also auch in fünf Jahren noch neugierig sein, ich möchte mich auch dann noch Tag für Tag weiterentwickeln wollen, ich möchte die Kraft haben, mich nicht ausruhen zu müssen und Visionen und Ideen umsetzen zu können. Denn daran mangelt’s ganz bestimmt nicht.

Das Redaktionsteam

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Stephan Zippl

4 Hauben, 17/20 Punkte Gault&Millau

Alpenlamm - Fotos: Hannes Niederkofler
Stephan Zippl
Geboren?
1988
Das Lebensmotto?
Genieße den Moment
Glück ist?
Meine Familie
Aufgewachsen in?
Lengstein am Ritten
Die Kochlehre absolviert im?
Fünf-Sterne-Hotel Alpin Garden, St. Ulrich und Fünf-Sterne-Hotel Alpina Dolomites, Seiser Alm
Der prägendste Moment in der Berufsschule?
Die erste Sterneerfahrung in der Villa Feltrinelli auf Vermittlung von KM Martin Lercher.
Das Schlüsselerlebnis, das Sie dazu veranlasst hat, Koch zu werden?
Die Erfahrungen in besonderen Betrieben wie dem Alpina Dolomites unter Chefkoch Julian Seeber, erste Erfahrung in einer Sterneküche der Villa Feltrinelli unter Küchenchef Stefano Baiocco.
Weitergetragen hat Sie?
Mein großer Einsatz. Ich stehe hinter dem, was ich mache und folge dem Motto: „Sagen, was man tut und tun, was man sagt.“
Wichtige berufliche Stationen?
Villa Feltrinelli, Gargnano am Gardasee
Simon Taxacher Restaurant, Kirchberg in Tirol
Restaurant St. Hubertus, St. Kassian
Parkhotel Holzner.
Derzeitiger Arbeitsplatz & Position im Betrieb?
Küchenchef im Parkhotel Holzner mit Schwerpunkt Restaurant 1908. Hier kann ich meinen eigenen Weg kochen.
4 Hauben und 17 Punkte von Gault&Millau. Das bedeutet für Sie?
Eine Qualitätsbestätigung und Anerkennung unserer Leidenschaft, die wir Tag für Tag leben. Der Weg ist das Ziel.
Was ist wichtig für Erfolg im Kochberuf?
Locker und authentisch zu bleiben, zielstrebig zu sein und eine große Passion für den Beruf zu haben.
Welche Erwartungen stellen Sie an einen Lehrling?
Spaß am Kochen, Lernwilligkeit, Disziplin, Motivation und Begeisterung.
Welche Erwartungen an Ihre Mitarbeiter?
Diszipliniert und mit viel Einsatz das Beste zu geben.
Das berufliche Ziel für die weitere Zukunft?
Weiterhin Vollgas zu geben, Gäste zu begeistern und Auszeichnungen für das Restaurant 1908 einzubringen.
Warum sind Sie Mitglied im Berufsverband der Südtiroler Köchinnen und Köche?
Da es eine tolle Plattform ist für junge, motivierte Köche wie mich und sowie auch für die vielen Kochkollegen und -kolleginnen in unserer Branche.
Das Redaktionsteam