Aktuell
Schweiz. Kochausbildung neu

Der Beruf verändert sich, unübersehbar

Die Revision der Kochausbildung: Anlässlich des Beisammenseins der Chefs de Cuisine Suisses stellt René Schanz, Mitglied der Arbeitsgruppe Koch 2022, die wesentlichen Änderungen der Kochausbildung vor.
Beruf Köchin/Koch
Die Änderungen in Kürze
Die Ausbildung soll einerseits den Betrieben und Ihren Spezialisierungen (bzw. und was diese (noch) können), angepasst werden und andererseits diese und die Berufsschulen entlasten. Dazu werden …
… die schriftlichen Prüfungen abgeschafft.
… die Spezialisierung im Sinne von Handlungskompetenzen eingeführt, wie:
Zubereiten und Präsentation von Speisen und Gerichten
Gestalten spezieller Gerichte der betrieblichen Praxis
Sicherheit und Nachhaltigkeit
Betriebliche und wirtschaftliche Abläufe
Auftreten und Kommunikation
Näher betrachtet ist der Punkt «Gestalten spezieller Gerichte der betrieblichen Praxis» von besonderem Interesse. Es werde immer und aus jeder Optik Sichtweisen geben, die nicht ganz damit übereinstimmen, wie sich der Beruf verändert.
Alles was modern ist, ist nicht immer gut. In der Tradition hat es immer noch einige Punkte, an denen wir festhalten wollen und die auch nötig sind. Ich möchte aber eindeutig an dieser Stelle sagen, für mich ist Tradition nicht Protektionismus im Sinne von sich zu schützten, um an Altem festhalten zu können, das wäre falsch“,
Die Herausforderungen schilderte René Schanz unter dem Aspekt „Der Köder muss dem Fisch schmecken“ wie folgt: 
Standards und Verbindlichkeiten müssen vorhanden sein, um überhaupt etwas vergleichbar und damit messbar zu machen. Hierbei geht es um die Überprüfbarkeit der Qualifikationsverfahren (QV). Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wenn die allgemeinen schriftlichen Prüfungen wegfallen. Der «neue Koch» soll eine Arbeitsmarktfähigkeit besitzen, seine Ausbildung soll also dem Bedürfnis der Gastronomiebetriebe entsprechen. Das Berufsbild soll nach außen eine Attraktivität ausstrahlen, um die jungen Menschen für diesen Beruf zu begeistern. Der Plan sollte eine breite Akzeptanz auslösen und hinsichtlich der Durchgängigkeit des dualen Bildungssystems (HBB) auch den nationalen und europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) entsprechen und umsetzbar sein.
Das sind die übergeordneten Punkte der Änderungen, die in das Vernehmlassungsverfahren des Bundesamtes für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) im September oder Oktober 2020 eingegeben werden. Anschließend werden die detaillierten Lehrpläne ausgearbeitet. Am 01.01.2022 soll das neue Berufsbild Koch 2022 in Kraft treten.
Ein Punkt, der besonders im Zentrum stand und doch einige Fragezeichen hinterließ, war in Bezug auf die Standards und Verbindlichkeiten, die Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit. Diese nehmen doch hinsichtlich der Abschaffung von schriftlichen Prüfungen und der Spezialisierung ab. Dazu kommt, bei den mündlichen und praktischen Prüfungen werde mehrheitlich auf die Spezialisierung fokussiert und diese Leistung mit dem Notendurchschnitt aus drei Jahren kumuliert. Hierbei ist zu beachten, dass damit der langjährigen Leistung Rechnung getragen und von einer Tagesform entkoppelt werde … aber. Jemand, der sich einen besonders großen Wissensumfang erarbeitet, aber vielleicht von den Lehrpersonen in drei Jahren eher schlecht bewertet wurde, hat im Grunde keine Chance mehr, unter Beweis zu stellen, was er kann.
Die Frage hierbei ist jetzt, wieviel von der Grundausbildung, also von «Zubereiten und Präsentation von Speisen und Gerichten» wird zugunsten der Spezialisierung „Gestalten spezieller Gerichte der betrieblichen Praxis“, der «Sicherheit und Nachhaltigkeit», den „betrieblichen und wirtschaftlichen Abläufen“ und vor allem dem „Auftreten und Kommunikation“ weggelassen wird.
Bei letzten Punkt ging René Schanz ins Detail: Auftreten und Kommunizieren.
Den eigenen Auftritt gestalten und mit Mitarbeitenden, Gästen und Lieferanten kommunizieren.
Konflikte im Küchenbereich erkennen und zu Konfliktlösungen beitragen.
Digitale Kommunikation für die Informationsbeschaffung und den Informationsaustausch im Küchenbereich sowie für die Präsentation in sozialen Medien einsetzen.
Mit Mitarbeitenden und Gästen in einer zweiten Landesprache oder in Englisch kommunizieren.
Dasselbe gilt für die großen Köche unserer Zeit. Mit einigen Ausnahmen, welche die Regel bestätigen, zehren alle von einer grundlegenden Ausbildung in den Techniken. Ohne Frage sind heute viele Techniken dazu gekommen, die es zusammen mit physikalischen und chemischen Grundlagen zu verstehen gilt. Genau deshalb: Letztendlich geht es um Verstehen, Verständnis, Nachvollziehbarkeit. Wer weiß, versteht.
Um nochmals soziologisch auf die Entwicklung der im Gehen schmatzenden Bevölkerung zu sprechen zu kommen (siehe Seite 5 dieser Ausgabe). Die übergeordneten, gesellschaftlichen Strömungen zeigen in eine völlig andere Richtung als die gegenwärtigen Moden. Mit der Neo-Urbanisierung rücken die Produktionsorte von Lebensmitteln durch Vertical-, Urban-, Indoor-Farming durch «brutal lokal» und Gourmet Gardening etc. wieder an uns heran. Mit der Individualisierung und der damit verbundenen Aufhebungen von ökonomischen Zwängen entsteht eine Entschleunigung, die den Fokus neu wieder auf alte Verfahrenstechniken und das Handwerke lenkt. Es muss nicht, aber es ist gut möglich, dass morgen das alte Handwerk des Koches wieder gefragt ist.
Hier stellt sich jetzt die Frage nach der Gewichtung und den Ansprüchen. Soll ein Koch unter allem anderen auch ein ausgewiesener Spezialist für digitale und analoger Kommunikation inklusive Social Media, für Mediation und Unterhaltung werden?
René Schanz
Schweizer Kochverband

Pflanzenlust

Kochen mit Bäumen, Sträuchern und wilden Wiesenpflanzen

Nachtkerze – Jambon du Jardinieres
Ob Commi oder Chef de Cuisine, Gardemanger oder Patissier, alle können „Gärtnerschinken“ vulgo Nachtkerze für die verschiedensten Gerichte einsetzen. Und das nicht nur für eine französisch inspirierte Küche, sondern ebenso für ganz traditionelle Gerichte. Das Hauptinteresse gilt dabei den fleischigen, rübenartigen Wurzeln, die wegen ihrer rosa-weißen Färbung Schinkenwurzeln genannt werden.
Kraftgemüse und Lieblingsspeise von Goethe
Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die gelb blühenden Nachtkerzen als reine Zierpflanzen erstmals im Botanischen Garten von Padua aus Samen angezogen. Doch schon bald entdeckte man ihre Wurzeln als schmackhaftes wie nahrhaftes Gemüse. Als Rapontika oder Gelbe Rapunzeln wurden sie angebaut. Geheimrat Goethe schickte seiner Frau Samen mit Anweisungen, wie sie diese anzusäen hatte.
Die aus Amerika stammenden Nachtkerzen verwilderten rasch und verbreiteten sich vor allem entlang der Schienenwege über ganz Europa. In den Gärtchen der Schrankenwärter leuchteten die „Eisenbahnerlaternen“ und lieferten ab Herbst gehaltvolle Wurzelnahrung. Pro Pfund stecke darin mehr als ein Zentner Ochsenfleisch, so rühmte man die Nachtkerzen.
Winterwurzelküche
Im Geschmack erinnern Schinkenwurzeln, die vor allem vom Spätherbst bis ins zeitige Frühjahr geerntet werden, an eine Kombination aus Pastinak, Schwarzwurzel und Sellerie mit pfeffriger Note. Wie diese Wurzelgemüse lassen sie sich ähnlich in der Küche einsetzen, roh geraspelt, sanft gedünstet oder resch geröstet: Als Salat mit Vogelsalat und Äpfeln, in Bierteig ausgebacken mit Aioli, in einer cremigen Suppe (dazu Cracker mit Nachtkerzensamen), als Pfannengemüse mit Curry und Kokosmilch, klassisch geschmort oder als Auflauf mit Béchamel… aber da fallen Ihnen sicher noch ganz andere Rezepte ein!
Von der Wurzel bis zum Samen
Neben den Wurzeln lassen sich auch alle anderen Teile der Nachtkerzen nutzen. Junge Blätter, die wie Mangold schmecken, für Spinatgemüse; Blütenknospen ähnlich wie Taglilienknospen roh oder frittiert z.B. zu einer Tomatenessenz, als Tempura; Blüten für Tee oder Sirup, kandiert, gesalzen und in Essig mariniert als Kapern, in Öl eingelegt für Antipasti, gefüllt mit Ricottabällchen, Saiblingstatar oder Himbeersahnetupfen; junge, noch zarte Fruchtkapseln ähnlich wie Okra als Gemüse; Samen wie Mohn oder Sesam für Gebäck und zum Überstreuen.
Nicht übergehen sollten Sie das hochwertige, sehr kostbare Nachtkerzenöl, kalt gepresst aus den winzigen schwarzen Samenkörnern. Es wird ausschließlich in der kalten Küche eingesetzt und würzt Dressings, Marinaden und Salate, gibt aber auch Topfen, Joghurt und Sahnesaucen eine interessante Note.
Verfasst von
Karin Greiner
Diplom-Biologin
www.pflanzenlust.de