Szene
Und am Tisch?

Wie das Geschirr verdient auch die Karte ihren Platz

Ein Plädoyer für mehr Haltung, Handwerk und Herz im ersten Eindruck.
FOTO: © Unsplash, Ricardo Moura
Von außen betrachtet ist sie bloß Papier, Pappe oder vielleicht ein Stück Holz. Für uns Köchinnen und Köche aber sollte sie viel mehr sein: Die Speisekarte ist Teil unserer Bühne. Sie ist das Erste, was der Gast in den Händen hält – und sie spricht über uns, noch bevor der erste Teller den Tisch erreicht.
Die Karte als Spiegel der Küche
In Südtirol legen wir Wert auf Authentizität. Unsere Gerichte erzählen Geschichten von Herkunft, Saison, Handwerk und Leidenschaft. Genau das sollte auch die Karte tun.
Wenn wir aufwendig Teller gestalten, mit Keramik, Glasuren und Texturen spielen – warum sollte dann die Karte als bloßer Informationsträger durchgehen?
Eine Karte kann genauso Atmosphäre schaffen wie ein handgefertigtes Geschirrstück. Das Papier, die Schrift, der Einband – all das vermittelt Stil, Respekt und Haltung. Eine edle, handgeprägte Karte kann Wertigkeit ausdrücken, während ein schlichtes, modernes Layout Klarheit und Präzision zeigt. Wichtig ist, dass sie unsere Handschrift trägt.
Worte mit Gewicht
Nicht nur das Design zählt – auch der Text spricht mit. Eine Karte, die Gerichte einfach aufzählt, bleibt stumm. Eine Karte, die Emotionen weckt, wird zum Gespräch.
Beispiel
„Forelle mit Gemüse“ sagt, was auf dem Teller liegt.
„Gebratene Passeirer Forelle, junges Gartengemüse, Zitronenthymian-Butter“ erzählt, woher es kommt, was dahintersteht, und worauf sich der Gast freuen darf.
In einer Zeit, in der Regionalität und Transparenz keine Schlagworte, sondern Erwartungen sind, ist die Karte ein Werkzeug der Glaubwürdigkeit. Sie zeigt, dass wir wissen, was wir verarbeiten, und dass wir stolz darauf sind.
Teil der Tischkultur
Die Karte gehört nicht nur in die Hand – sie gehört auf den Tisch.
In vielen Häusern Südtirols wird sie wieder bewusst inszeniert: auf Holzunterlagen, in Stoff gebunden, als Teil des Gedecks. Das hat etwas Feierliches. Es zeigt dem Gast: Hier beginnt das Erlebnis nicht mit dem ersten Bissen, sondern mit dem ersten Blick.
Auch der Service spielt dabei eine zentrale Rolle. Wer eine Karte überreicht, übergibt nicht einfach Information, sondern öffnet eine Geschichte. Ein kurzer Satz zur Herkunft der Produkte oder zur Idee des Menüs kann Wunder wirken.
„Unsere Küche folgt dem Lauf der Jahreszeiten – aktuell mit Fokus auf Wild und Wurzelgemüse.“ Solche Sätze schaffen Nähe und Interesse, bevor das erste Gericht serviert wird.
Digital? Ja, aber mit Seele.
QR-Codes und Tablets haben ihre Vorteile – Hygiene, Aktualität, Übersetzbarkeit. Doch wer sie nutzt, sollte darauf achten, dass auch digitale Karten emotional bleiben. Ein Tablet-Menü kann mit schönen Bildern, klaren Texten und kleinen Geschichten genauso ansprechend sein wie Papier – wenn es mit derselben Liebe gestaltet ist. Technik ersetzt keine Haltung, sie kann sie nur unterstützen.
Der stille Gastgeber
Eine Speisekarte ist wie ein guter Gastgeber: Sie begrüßt, erklärt, inspiriert – und zieht sich dann dezent zurück, wenn das Erlebnis beginnt.
Darum verdient sie denselben Respekt wie das Geschirr, das Besteck oder der Wein im Glas.
Sie ist Teil der Inszenierung, Teil der Gastfreundschaft – und sie spricht mit, ob wir wollen oder nicht.
In einer Welt voller visueller Reize gewinnt das Analoge wieder an Bedeutung. Die Speisekarte ist mehr als eine Liste – sie ist die Visitenkarte, welche die Geschichte unserer Küche erzählt.
Sie spricht mit – über Werte, Qualität und Anspruch.
Und sie verdient, wie das Geschirr, ihren Platz am Tisch.
pj

Szene
FACHWISSEN

Beefsteak

Schreibt man Tatar oder Tartar? Beides. Hauptsache, es wird vor dem Gast zubereitet.
Rindstatar mit Sauerrahm | Selleriestange und Algenpulver – FOTO: Patrick Jageregger
Das Beefsteak Tatar ist ein Gericht, das aus von Hand gehacktem hochwertigem und fettarmem Muskelfleisch hergestellt wird. Meist wird das Filet, Roastbeef oder die Spitzrose verwendet.
Für eine Zubereitung vor dem Gast braucht es frisch mit dem Messer gehacktes Rindfleisch, Zwiebel oder Schalotten, Eigelb, Worcestershire-Sauce, Tabasco, Salz, Pfeffer, gehackte Kapern, Senf, gehackte eingelegte Perlzwiebeln, gehackte Petersilie, gehackte Sardellen, gehackte Gewürzgurken und eventuell etwas Ketchup.
Zum Parfümieren die gewünschte Spirituose bereitstellen — Whisky, Cognac, Rum, Calvados etc. Wichtig ist dabei das Eigelb zur Hebung der Konsistenz. Wird das Tatar in der Küche zubereitet, wird das Eigelb auch gerne separat dazu gereicht, damit der Gast es selbst unterziehen kann.
Tatar oder Tartar
Beides ist korrekt, allerdings hat sich Tatar ohne «r» weitgehend durchgesetzt. Der Begriff Tataren bezeichnet verschiedenste Turkvölker von ganz Eurasien von der Antike bis heute. Dazugezählt wurden zu ihrer Zeit auch die in Rom einfallenden Hunnen sowie später die Horden von Dschingis Khan, die halb Europa plünderten und niederbrannten.
Gerade in diesem Zusammenhang wurde der Name auch mit einem «r» ausgesprochen: Tartaren. Dieses Wort stammt vom griechischen Tartaros und bezeichnet unter anderem den Ort der Strafe in der Unterwelt, wo verschiedenste griechische Götter und Halbgötter zu ewigen Qualen verurteilt worden sind. Tartaren – mit «r» geschrieben – bedeutet «die aus der Hölle kommen».
Heute werden die in der russischen Republik Tatarstan lebenden Turkvölker als Tataren bezeichnet. Nebenbei bemerkt, die berühmtesten von ihnen waren der Hollywood-Haudegen Charles Bronson sowie der beste Balletttänzer aller Zeiten Rudolf Chametowitsch Nurejew.
Ob Tataren oder Tartaren, ob Legende oder nicht, die Geschichte besagt, die Tataren hätten rohe Fleischstücke unter ihre Sättel gelegt, mürbegeritten und anschließend gegessen. Dieser Geschichte soll das Gericht nachempfunden sein.
In Deutschland wird Beefsteak Tatar auch Schabefleisch genannt. In England und Frankreich heißt es Steak Tartar. In den Niederlanden, in Luxembourg und Belgien wird es als Filet americaine bezeichnet.
Varianten und ähnliche Gerichte
Tatar wird heute sehr oft auch vom Kalbfleisch und von verschiedenen Fischen, vornehmlich Forelle, Lachs und Thunfisch, hergestellt. Im Zug vegetarischer und veganer Strömungen werden auch verschiedenste Gemüse und Früchte als Tatar zubereitet.
In Deutschland gibt es zwei traditionelle Gerichte, die dem Beefsteak Tatar ähnlich sind. Das ist zum einen Mett beziehungsweise Hackepeter – gehacktes Schweinefleisch und/oder Speck. Das mit Salz und Zwiebeln zugegebene wird Zwiebelmett genannt. Das edelste Mett wird aus dem Hinterschinken hergestellt und Schinkenmett genannt. Zum anderen gibt es auch das Häckerle oder auch Hekele aus Schlesien — fein gehackter Salzhering, verfeinert mit Eiern, Speck, Zwiebeln und Gewürzgurken. Natürlich darf an dieser Stelle auch das Peruanische Ceviche, also kleiner geschnittener, roher und marinierter Fisch erwähnt werden.
Tatar aus dem Fleischwolf? Was für eine Sauerei!
Zum Schluss noch ein kritisches Wort zur Qualität des Gerichtes: Für ein hochstehendes Beefsteak Tatar muss das Fleisch zwingend aus einer zarten und fettarmen Partie wie dem Roastbeef, dem Filet oder der Spitzrose hergestellt werden. Das Fleisch muss mit dem Messer fein gewürfelt und anschließend gehackt werden. Es ist eine Unsitte, das Fleisch durch den Fleischwolf zu drehen, dadurch wird die Struktur des Fleisches bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht. Gerade wenn qualitativ minderwertiges Fleisch derart unkenntlich gemacht und dazu noch mit einer überdeckenden Fertigsauce auf der Basis von Ketchup angerührt wird, um es als hochwertiges Tatar zu verkaufen, ist es als Mogelpackung zu bezeichnen. Wer nichts zu verbergen hat, stellt sein Tatar von Hand und mit dem Messer aus einem deklarierten Stück Fleisch her und nennt es dann zum Beispiel Rindsfilettatar etc.
Der Gast schmeckt ab
Da das Tatar sehr individuell und nach den Wünschen der Gäste zubereitet wird, sollte jeder Gast vor Beginn der Arbeit gefragt werden, welche Geschmackszutaten er bevorzugt oder weglassen möchte. Sollten mehrere Gäste an einem Tisch Tatar bestellen, können spezielle Zutaten für einen Gast, nachdem die anderen bedient wurden, zugegeben werden. Oder der Service bereitet jede Portion einzeln zu. Abgeschmeckt wird immer vom Gast und nicht vom Servicepersonal.
Beilagen
Klassisch zu einem Tatar wird ein warmes Brioche oder Toast aus Weißbrot mit Butter oder gesalzener Butter serviert. In Frankreich wird auch oft die Variante mit Pommes allumettes anstelle von Brot serviert.
Der Begriff Beefsteak
Der englische Begriff sagt alles und doch nichts. Die Herkunft von Steak liegt im Wort Steik, das seinen Ursprung in den nordgermanischen Dialekten zu haben scheint. Gemeint ist damit ein Braten, also Stück oder eine Scheibe Fleisch zum Braten. Die Übersetzungsplattform Deepl spuckt beim englischen Begriff Steak das deutsche Wort Schnitzel. Umgekehrt übersetzt Deepl das deutsche Wort Schnitzel wiederum mit Scallop, Cutlet und Escalope.
Da das Wort Steak eingedeutscht ist, bedeutet Beefsteak also nichts anderes als Rindersteak bzw. Rindssteak, in welcher Forma auch immer.
red / pj