Alkoholfreie Pairings haben sich von einer Randerscheinung zu einem festen Bestandteil der Spitzengastronomie entwickelt. Gäste erwarten heute nicht nur kulinarische Perfektion, sondern auch ein rundum durchdachtes Genusserlebnis – oft bewusst ohne Alkohol. Kreative Getränkebegleitungen, die Regionalität, Gesundheit und Achtsamkeit vereinen, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Wir haben dazu zwei Experten aus der Südtiroler Gastronomiewelt befragt: Patrick Toll, Restaurantleiter im Relais & Châteaux Castel Fragsburg in Meran und Laura Reichegger, Barfrau in den Amonti Chalets in Mühlen in Taufers. Beide geben spannende Einblicke, wie sie mit viel Kreativität und regionalen Produkten alkoholfreie Pairings auf ein neues Level heben und damit den Nerv der Zeit treffen.

Laura Reichegger, Barfrau in den Amonti Chalets – FOTO: Jürgen Schmücking
Die Reaktionen auf alkoholfreie Pairings sind so vielfältig wie unsere Gäste selbst – sie reichen von offener Begeisterung bis hin zu leichter Skepsis, oft geprägt von Kultur, Tradition und persönlichen Gewohnheiten. Während in vielen Gesellschaften der bewusste Verzicht auf Alkohol – sei es aus gesundheitlichen, religiösen oder praktischen Gründen – längst selbstverständlich und geschätzt wird, gibt es in manchen traditionellen Trinkkulturen noch Zurückhaltung. Insgesamt erleben wir jedoch eine starke Entwicklung hin zu mehr Akzeptanz und Neugier, besonders bei internationalen Gästen, Autofahrern, Schwangeren oder in geschäftlichen Kontexten. Alkoholfreie Getränke werden zunehmend als moderne, gesunde Alternative wahrgenommen und mit Genuss gewählt.

Patrick Toll – FOTO: Thomaseth Fashion
Als Sommelier hätte ich bis vor einigen Jahren nie gedacht, dass das Non-Alcoholic Pairing so stark in den Fokus rückt wie das Wine Pairing. In einer Welt, in der Herkunft der Produkte und eine gesunde Lebensweise eine große Rolle spielen, setzen wir auf Regionalität und Qualität. Hochwertige Produkte von lokalen Manufakturen, die mit Leidenschaft und Herzblut hergestellt werden, bieten einen einzigartigen Charakter. Angefangen bei Gourmetsäften und selbstgebrauten Kräuteressenzen bis hin zu Mocktails und alkoholfreien Weinen sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Zugleich soll das Produkt Hand in Hand mit dem Gericht gehen, ohne sich abzuheben. Erst dann verspürt der Gast ein Wohlbefinden.
In der Fragerunde mit Laura und Patrick beleuchtet der Südtiroler Köcheverband - SKV, warum alkoholfreie Pairings gerade jetzt so an Bedeutung gewinnen und welchen Stellenwert Südtiroler Sommerprodukte dabei einnehmen.
Laura: Meine Beobachtung spiegelt einen entscheidenden Wandel in der modernen Gastronomie wider. Es ist nicht einfach nur ein Trend, sondern eine grundlegende Veränderung in den Erwartungen der Gäste. Das Ziel ist nicht mehr nur, den Hunger zu stillen, sondern ein umfassendes Erlebnis zu bieten, bei dem Gesundheit, Genuss und Achtsamkeit miteinander verschmelzen.
Die Gäste von heute sind informierter und bewusster. Sie legen Wert auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Ein Lebensstil, der Leichtigkeit und Klarheit in den Vordergrund stellt, schließt oft den Wunsch nach weniger oder gar keinem Alkohol ein.
Welche Rolle spielt Kreativität bei der Entwicklung von alkoholfreien Pairings – und wo können Südtiroler Sommerprodukte ganz neue Geschmackserlebnisse eröffnen?
Laura: Der Fokus bei alkoholfreien Getränken liegt verstärkt auf kreativen Geschmackskombinationen. Durch die Mischung von Früchten, Kräutern, Gewürzen oder regionalen Pflanzen entstehen einzigartige sensorische Erlebnisse. Produktentwickler spielen bewusst mit Elementen wie Textur, Säure und Bitterkeit, um den Getränken Komplexität und eine besondere Note zu geben. Durch handwerkliche Techniken wie Kaltaufguss, Infusionen, Fermentation und Holzfassreifung entwickeln alkoholfreie Getränke eine komplexe Aromatik, die der von Wein oder Spirituosen nahekommt.
Warum gewinnen alkoholfreie Pairings Ihrer Meinung nach gerade jetzt an Bedeutung, und welchen Stellenwert können Südtiroler Sommerprodukte dabei einnehmen?
Patrick: Der Lebensstil der meisten von uns hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Immer mehr setzen auf einen gesunden Lebensstil und meiden deshalb auch den Wein beim Essen. Viele nehmen einen langen Weg auf sich, um ein exklusives Erlebnis in einem Restaurant zu haben, und möchten danach auch noch sicher nach Hause kommen. Deshalb ist alkoholfrei oft die bessere Option.
Südtirol hat für mich einen riesengroßen Vorteil beim alkoholfreien Pairing, weil es durch Diversität glänzen kann. Dieses kleine Land bietet eine Fülle an hochwertigen Produkten und die Leidenschaft, ständig Neues daraus zu kreieren. Ich arbeite sehr gerne mit reinen Produkten, die nur wenig verarbeitet wurden. Momentan sehe ich den Rhabarber, aber auch die rote Beete sehr stark als sommerliche Komponente für Sommergetränke ohne Alkohol.
Welche Techniken oder Methoden (z. B. Fermentation, Cold Brew, Infusionen) eignen sich besonders gut, um die Aromenvielfalt regionaler Produkte im Glas erlebbar zu machen?
Laura: Um den Geschmack regionaler Zutaten in Getränken gut zur Geltung zu bringen, gibt es einfache, aber wirkungsvolle Methoden. Fermentation, Cold Brew oder Infusionen sind eingie dieser Techniken, die in der modernen Getränkewelt eine wichtige Rolle spielen. Um diesen Getränken Tiefe, Charakter und einen echten Herkunftsbezug zu geben, lohnt es sich, auf einige wichtige Aspekte zu achten:
Saisonalität beachten: Frisch geerntete, reife Zutaten aus der Region entfalten ihr volles Aroma und bringen natürliche Süße, Säure oder Würze ins Getränk. Saisonale Produkte spiegeln nicht nur die Jahreszeit wider, sondern verleihen dem Getränk auch eine authentische, regionale Handschrift.
Textur und Temperatur gezielt einsetzen: Auch das Mundgefühl und die Trinktemperatur beeinflussen die Wahrnehmung von Aromen. Leichte Kohlensäure kann ein Getränk frischer wirken lassen, während eine kühle Serviertemperatur feine Nuancen betont. So wird das Geschmackserlebnis runder und lebendiger.
Diese Prinzipien helfen dabei, regionale Zutaten nicht nur zu verarbeiten, sondern sie wirklich erlebbar zu machen – mit allen Sinnen.
Wie sieht die Zukunft der Non-Alcoholic-Pairings aus – glauben Sie, dass sie sich langfristig auf Augenhöhe mit klassischen Weinbegleitungen etablieren werden?
Patrick: Die Zukunft der alkoholfreien Speisenbegleitung ist vielversprechend. Sie etabliert sich schnell als eine „fast“ gleichwertige Alternative zur klassischen Weinbegleitung, insbesondere in der Spitzengastronomie. Der Trend zum bewussten Genuss und Gesundheitsbewusstsein treibt diese Entwicklung stetig voran.
Welche Herausforderungen sehen Sie in der Entwicklung alkoholfreier Pairings, speziell im Hinblick auf die Verwendung regionaler Südtiroler Produkte?
Patrick: Als eine der größten Herausforderungen sehe ich die Verfügbarkeit der Produkte. Sie ist stark an die jeweilige Saison gebunden, was eine laufende Produktion und ein ganzjährig stabiles Angebot etwas erschwert. Gefragt ist noch das Können und die Kreativität der Servicefachkraft bzw. des Sommeliers, um schnell darauf reagieren zu können. Nur so kann dem Gast immer wieder ein einzigartiges Erlebnis geboten werden.
Beim vollständigen Bericht finden Sie ein Interview mit Sternekoch KM Egon HeissWebseite des SKV